Wenn morgen heute schon gestern wär’

Isa­bel Mans­feld räum­te mit ihrer Abschluss­ar­beit zum The­ma Pro­kras­ti­na­ti­on mit 100% ab! Wir haben sie zum Inter­view gebe­ten und woll­ten mehr über die­se Glanz­leis­tung erfahren.

Mia:
Das The­ma dei­ner Abschluss­ar­beit war Pro­kras­ti­na­ti­on. Wie­so hast du dich dafür ent­schie­den?
Isa­bel:
Die Suche des The­mas ist für vie­le ver­mut­lich die größ­te Her­aus­for­de­rung. Schließ­lich muss man etwas fin­den, was genug Stoff bie­tet, um sich damit über Mona­te hin­weg zu beschäf­ti­gen – und noch viel wich­ti­ger: Womit man sich so lan­ge auch wirk­lich beschäf­ti­gen möch­te. Gera­de im Bereich Edi­to­ri­al ist eine sehr textin­ten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung not­wen­dig. Auch bei mir war die The­men­su­che ein ziem­li­cher Krampf. Ich woll­te ein Gesell­schafts­phä­no­men als The­ma­tik, das jeder kennt und bei dem jeder mit­re­den kann. Bei der Suche nach einem pas­sen­den Ober­be­griff bin ich mehr­fach über das Wort Pro­kras­ti­na­ti­on gestol­pert, bis ich fest­ge­stellt habe, dass es genau die Beti­telung war, nach der ich die gan­ze Zeit gesucht hat­te. Das war ein biss­chen wie mit so einem Kas­sen­band­wa­ren­trenn­st­ab­ding – ich wuss­te genau, das gibt es und jeder kennt es, aber ich kann­te nicht die genaue Bezeich­nung dafür. War­um ich mich letzt­end­lich dafür ent­schie­den habe? Weil es wie Arsch auf Eimer zu mir passt (die Zeit der Umset­zung mei­ner Abschluss­ar­beit bestä­tigt das)! Es ist ein The­ma, das immer mehr an Bedeut­sam­keit gewinnt und auch für immer mehr Gesprächs­stoff in der Gesell­schaft sorgt, aber trotz­dem noch nicht so aus­ge­lutscht ist. Mit einem Maga­zin über Essen, Rezep­te, Mode oder Rei­sen hät­te ich mich nicht iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Beim The­ma Pro­kras­ti­na­ti­on hin­ge­gen war ich selbst mein bes­tes Ver­suchs­ka­nin­chen und ich habe es durch die Arbeit geschafft, eine ganz ande­re Sicht auf mein eige­nes Auf­schie­be­ver­hal­ten zu gewinnen.

Mia:
Kannst du an die­ser Stel­le noch ein­mal kurz erklä­ren, was Pro­kras­ti­na­ti­on genau bedeu­tet?
Isa­bel:
Das Wort stammt aus dem Latei­ni­schen und setzt sich zusam­men aus dem Wort „Pro“, das übersetzt „für“ bedeu­tet und „cras/​crastinus“ was „mor­gen“ bzw. „mor­gig“ bedeu­tet. Das latei­ni­sche Wort pro­cras­ti­na­re beinhal­tet zusam­men­ge­setzt soviel wie Ver­ta­gung oder Ver­zö­ge­rung und ist das Ver­hal­ten, als not­wen­dig, aber unan­ge­nehm emp­fun­de­ne Arbei­ten immer wie­der zu ver­schie­ben, anstatt sie zu erle­di­gen. Im Deut­schen gibt es dafür weni­ger wohl­klin­gen­de Wör­ter wie Auf­schie­be­ri­tis, Erle­di­gungs­blo­cka­de oder Erre­gungs­auf­schie­bung. Ver­ein­facht gesagt ist Pro­kras­ti­na­ti­on also der Titel für unse­ren inne­ren Schwei­ne­hund und somit für all die Ver­spre­chen, die man sich gege­ben und nicht ein­ge­hal­ten hat, die Bezeich­nung für vie­le Zie­le, die man sich gesetzt und nicht erreicht hat; sie steht für all die abge­bro­che­nen Diä­ten, die lan­gen Näch­te vor einer Dead­line, all die unge­ord­ne­ten Papier­sta­pel, usw.

Pro­kras­tio­na­ti­on

Mia:
Hast du dich direkt an die Arbeit gemacht oder erst­mal auf­ge­scho­ben?
Isa­bel:
Ich hof­fe, es han­delt sich dabei um eine rhe­to­ri­sche Fra­ge. Natürlich habe ich sofort mit der Arbeit begon­nen – nur nicht mit der Arbeit für mei­ne Abschluss­ar­beit. Statt­des­sen habe ich mei­nen grünen Dau­men, eine hand­werk­li­che Lei­den­schaft und ein Inter­es­se für das Aus­sor­tie­ren frem­der Klei­der­schrän­ke ent­deckt. Womit ich tat­säch­lich sehr früh begon­nen habe, ist die Recher­che, das Lesen von Büchern und das Zusam­men­schrei­ben von Tex­ten. Die dafür benö­tig­te Zeit habe ich ein­deu­tig unter­schätzt. Zwi­schen der Theo­rie und der Umset­zung bzw. Gestal­tung lag noch ein­mal eine wochen­lan­ge Pha­se, in der ich mich vor dem ers­ten Schritt gedrückt habe. Die Angst, die Umset­zung könn­te nicht mei­nem Bild im Kopf ent­spre­chen, stand zu sehr im Vor­der­grund, sodass sich immer wie­der Tätig­kei­ten fin­den lie­ßen, die lie­ber
erle­digt wer­den wollten.

Mia:
Wel­chen The­men­be­reich hast du gewählt und wel­che Medi­en hast du bespielt?
Isa­bel:
Schon lan­ge bevor ich mein The­ma wuss­te, war klar, dass ich mei­ne Abschluss­ar­beit im Bereich Edi­to­ri­al machen wer­de. Zum einen, weil ich die­ses Fach wäh­rend mei­nes Stu­di­ums am span­nends­ten fand, zum ande­ren weil ich ein Fai­ble für die ana­lo­ge Welt habe. Im Bereich Edi­to­ri­al habe ich am Ende ein­fach mehr das Gefühl, das Ergeb­nis in den Hän­den hal­ten zu kön­nen als in allen ande­ren Berei­chen. Nach­dem ich mein The­ma gefun­den hat­te und des­sen Umfang immer deut­li­cher wur­de, kam die Idee auf ein rich­ti­ges Buch statt einem Maga­zin zu machen. Die­se Idee wur­de von den Dozen­ten zum Glück sehr posi­tiv auf­ge­nom­men, unterstützt und konn­te so immer mehr Form annehmen.

Das end­gül­ti­ge Buch

Zu dem Zeit­punkt war mir aller­dings noch nicht bewusst, dass die­se Ent­schei­dung auch eine neue Her­aus­for­de­rung bedeu­te­te – der Auf­bau eines Maga­zins war nicht ein­fach adap­tier­bar auf die Gestal­tung eines Buches. Die meis­te Zeit habe ich natürlich in das Buch gesteckt, aber schon in der ers­ten Pha­se kamen mir vie­le Ideen, was man alles noch darüber hin­aus machen könn­te. Auf­grund des „leich­ten Zeit­man­gels“ zum Ende hin, konn­te ich natürlich nur eini­ge die­ser Sachen umset­zen und ich durf­te fest­stel­len, dass Dif­fe­ren­zie­rung und den Blick für das Not­wen­di­ge nicht zu ver­lie­ren zur Abschluss­ar­beit dazugehören.

Spe­cials des Buches
Ein Blick ins Buch

Um einem Pro­kras­ti­nie­rer das Buch zusätz­lich noch ein wenig schmack­haf­ter zu machen, kann es in einer Stan­dard-Kom­plett­box gekauft wer­den. Dazu gehö­ren Sti­cker und Post­kar­ten mit Buch­mo­ti­ven, ein etwas ande­rer To-Do-Block, ein Kalen­der, ein gra­vier­ter Stift, ein Lese­zei­chen, ein bedruck­ter Turn­beu­tel sowie das Spiel „Auf die Plät­ze. Fer­tig. Mor­gen.“, das einem mit einer 5:1 Chan­ce das Auf­schie­ben erlaubt und einem eine Aus­wahl an Pro­kras­ti­na­ti­ons­tä­tig­kei­ten bietet.

Alles auf einen Blick
Im Detail
Die Auf­schie­be­rei 365 Tage im Blick
Die­ses Spiel erlaubt das Prokrastinieren!

Eben­so kann online eine eige­ne Box zum Buch zusam­men­ge­stellt wer­den, wofür ich das Screen­de­sign gestal­tet habe. Auf die­ser Web­sei­te gibt es noch vie­le wei­te­re Arti­kel rund um das The­ma, wie z.B. Shirts mit ver­schie­de­nen Motiven.

Die Web­sei­te
Mer­chan­di­se

Um auf das Buch und die Web­sei­te auf­merk­sam zu machen, habe ich drei ver­schie­de­ne POS-Prin­tak­tio­nen umge­setzt: eine Pla­kat- und Post­kar­ten­ak­ti­on zur Her­aus­ga­be des Buches, eine dau­er­haf­te Lese­zei­chen­ak­ti­on in Illus­trier­ten und Büchern rund um das bewor­be­ne Buch sowie eine Gue­ril­la­ak­ti­on mit gro­ßen Spruch­sti­ckern für z.B. die Leip­zi­ger Buchmesse.

Gewinn­spiel­ak­ti­on zur Her­aus­ga­be des Buches
Lese­zei­chen­ak­ti­on direkt vor Ort
Akti­on zum Kleben

Natürlich wären noch vie­le wei­te­re Mer­chan­di­se-Arti­kel oder Buch­zu­sät­ze mög­lich gewe­sen, aber „hät­te, würde, könn­te“ haben
mein Pro­kras­ti­na­ti­ons­we­sen nicht sehr beeindruckt.

Mia:
Was macht dein Buch beson­ders bzw. unter­schei­det dich von ande­ren Büchern zum sel­ben The­ma?
Isa­bel:
Mein Ziel war es, ein zeit­ge­mä­ßes und the­men­spe­zi­fi­zier­tes Buch inklu­si­ve Tipps und Tricks am Ran­de, ver­eint in einer Kom­bi­na­ti­on aus Emo­tio­na­li­tät, Humor, Ästhe­tik und Infor­ma­ti­ons­ge­halt zu machen. Am wich­tigs­ten war dabei, das The­ma sub­jek­tiv zu behan­deln, mich selbst also ein­zu­be­zie­hen und die­se doch recht umfang­rei­che und psy­cho­lo­gisch belas­te­te The­ma­tik zwar mit beleg­tem Fach­wis­sen anzufüttern, aber so weit her­un­ter­zu­bre­chen, dass jeder etwas damit anfan­gen kann. Vie­le auf dem Markt ver­tre­te­ne Wett­be­wer­ber sind meist von Psy­cho­lo­gen, Wis­sen­schaft­lern oder The­ra­peu­ten geschrie­ben, sehr text­las­tig, beleuch­ten haupt­säch­lich die schlech­ten Sei­ten der Pro­kras­ti­na­ti­on und ver­su­chen sie einem aus­zu­trei­ben. Für Pro­kras­ti­nie­rer gibt es aber nichts schlim­me­res, das mehr auf­ge­scho­ben wer­den möch­te als ein Buch, das 200
Sei­ten lang nur aus Text besteht. Ich habe es mir zur Her­aus­for­de­rung gemacht, die posi­ti­ven Sei­ten der Pro­kras­ti­na­ti­on in den Vor­der­grund zu stel­len und zu sagen „Hey, es ist nicht schlimm wenn du etwas auf mor­gen ver­schiebst. Auch nicht wenn du weißt, dass du es mor­gen auf übermorgen ver­schie­ben wirst und es viel­leicht nie erle­di­gen wirst“. In dem eige­nen Pro­kras­ti­na­ti­ons­ver­hal­ten kann viel Poten­ti­al mit ver­steck­ten Bot­schaf­ten stecken.

Mia:
Wer war wäh­rend die­ser Arbeit dein bes­ter Rat­ge­ber?
Isa­bel:
In den Mona­ten gab es vie­le kri­ti­sche Gefähr­ten, Kor­rek­tur­le­ser, Mut­ma­cher und Pro­kras­ti­na­ti­ons­an­hän­ger. Guten Input und immer wie­der neue Anre­gun­gen habe ich natürlich durch die Dozen­ten und mei­ne spä­te­ren Prüfer René Fehr­mann, Julia Mey­ran und Andre­as Peter­sen erhal­ten. Nicht zu ver­ges­sen sind natürlich auch die Fachbücher zum The­ma, die mir das Gan­ze noch zugäng­li­cher gemacht haben und durch die ich viel inhalt­li­che Inspi­ra­ti­on bekom­men habe. Ansons­ten war ich irgend­wann an einem Punkt, bei dem ich vie­les ein­fach erst ein­mal gemacht habe und erst spä­ter ent­schie­den, was blei­ben darf. Neben mei­nem Bauchgefühl waren aber wohl die­je­ni­gen die größ­te Hil­fe, die mir immer wie­der in den Hin­tern getre­ten haben, mich an mei­ne Abschluss­ar­beit erin­nert und immer wie­der auf den Boden zurückgeholt haben. Und wer könn­te das bes­ser als die eige­ne Mutti!

Mia:
Was hast du mit dem Buch jetzt vor?
Isba­el:
Bis­her habe ich auf die­se Fra­ge immer geant­wor­tet „Frag mich das in eini­gen Mona­ten noch­mal“. Tat­säch­lich habe ich schon meh­re­re Anfra­gen bekom­men, ob das Buch zu kau­fen sei. Bis­her ist das nicht der Fall und ich habe noch nicht wei­ter geschaut, ob ein Ver­lag dar­an inter­es­siert wäre. Erst ein­mal woll­te ich mei­ne Abschluss­ar­beit online bekannt machen, um den Inter­es­sier­ten einen Ein­blick geben zu kön­nen. Aber ich bin offen für alles.